Im Mai tagte mit der Bundeskonferenz das höchste Organ der Naturfreundejugend Deutschlands. Gab es einen Beschluss, der dir besonders wichtig war?
Wendelin Haag: Der Leitantrag „Für Europa – für Vielfalt, Frieden, Solidarität“. Unsere Bundeskonferenz hatte ja einen klaren europapolitischen Schwerpunkt und fand kurz vor den Europawahlen und den großen Europa-Demonstrationen gegen Nationalismus statt. Die Naturfreundejugend hat sich klar für eine demokratische und für alle Menschen partizipative EU ausgesprochen. Das war mir wichtig.
Gab es auch innerverbandlich wirkende Beschlüsse?
Na klar. Und auch hier ist der Europa-Beschluss das beste Beispiel. Denn jede unserer politischen Forderungen korrespondiert mit einer Selbstverpflichtung. In dieser Legislatur wird sich beispielsweise jeder Landesverband mit einer Mitgliedsorganisation der Naturfreundejugend Internationale vernetzen. Wir wollen unsere Vision einer Welt ohne nationalstaatliche Grenzen auch im eigenen Verband leben.
In eurem Europabeschluss gibt es eine interessante Passage: Ihr fordert auf europäischer Ebene einen „Jugend-Check“, der die Auswirkungen geplanter Gesetze auf junge Menschen sichtbar macht. Das Gleiche soll auch innerverbandlich für NaturFreunde-Entscheidungen auf allen Ebenen gelten. Wie stellt ihr euch das vor?
Letztlich ist das ganz einfach: In jeder relevanten NaturFreunde-Entscheidung müssen aktuelle und potenzielle junge Mitglieder mitgedacht werden. Nur so können wir wieder mehr junge Mitglieder für den Gesamtverband gewinnen. Wir Jugendvertreter* innen bringen dazu gerne unsere Perspektive in die jeweiligen Vorstände ein.
Arbeitet ihr auch schon an weiteren Anträgen zum Bundeskongress?
Wir positionieren uns gerade zur Wohnungsnot in Großstädten, zum Klimaschutzgesetz und zu einer nachhaltigen Ausgestaltung der Digitalisierung. Wir beraten aber noch, welche Anträge wir in welche Gremien einbringen.
Apropos Digitalisierung: Bei der Bundeskonferenz habt ihr erstmals ein digitales Antragsmanagement durchgeführt. Funktionierte das?
Wir haben ein Antrags-Verwaltungs-System vom Verein Netzbegrünung genutzt, Open Source übrigens. Und wir haben es „Antragsfreund*in“ getauft, weil es so erfolgreich war. Der Erwachsenenverband sollte die Digitalisierung nicht verschlafen. Wir zeigen gerne, wie das funktioniert.
Du warst bereits zwei Jahre Bundesleiter und wurdest nun für zwei weitere Jahre gewählt, immer in einer Doppelspitze. Was treibt dich an?
Kurz gesagt: Unsere Zeit ist sehr politisch. Da empfinde ich es als Verpflichtung, mich für unsere gemeinsamen Werte und Überzeugungen einzusetzen. In der Leitung der Naturfreundejugend kann ich einen konkreten Beitrag für eine solidarische und nachhaltige Gesellschaft leisten.
Die Naturfreundejugend hat einen umfassenden Verbandsentwicklungsprozess bis zu eurem hundertjährigen Jubiläum im Jahr 2026 beschlossen? Warum?
Weil wir immer weiter mit der Zeit gehen müssen. Sonst bleiben wir nicht als Engagementfeld für junge Menschen interessant. Wir wollen unsere Leitlinien aktualisieren, unsere Richtlinien reformieren und neue Kinder- und Jugendgruppen aufbauen, am besten auch weitere Landesverbände. Zudem wird es über alle Verbandsebenen mehr politische Bildungsangebote geben.
Willst du 2026 immer noch bei der Naturfreundejugend aktiv sein – oder vielleicht doch im Erwachsenenverband?
Gesamtverbandlich müssen wir den Übergang vom Jugend- in den Erwachsenenverband besser gestalten. Aber ja, warum nicht selbst mit gutem Beispiel voran gehen? Als Pädagoge wird es mir jedoch immer ein Herzensanliegen bleiben, Rahmenbedingungen zu schaffen, in denen junge Menschen selbstorganisiert ihr Leben und die Gesellschaft gestalten können.
Was wäre dein größter Wunsch für den NaturFreunde-Bundeskongress in Berlin?
Eine Aufbruchstimmung, die auf dieser Erkenntnis beruht: Wir NaturFreunde haben wichtige Impulse zur aktuellen gesellschaftlichen Transformation beizutragen! Deshalb müssen wir uns öffnen und gleichzeitig jünger und zahlreicher werden.
Interview: Samuel Lehmberg